20. September 2022 | Digital Fitness
Neues Lernen: Instruktion vs. Inszenierung
Wie schaffen wir eine gute Mischung?
Das Lernen verändert sich. Nicht nur durch digitale Möglichkeiten entstehen neue Erwartungen, Anforderungen und Herausforderungen für Lehrende und Lernende, sondern auch mehr und mehr Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass sich Lernen und Lehre im Vergleich zu früher verändern sollte.
Zusammengefasst könnte es heißen „Instruktion vs Inszenierung“, wobei Instruktion für das lange bekannte Erklären, Beibringen und Anleiten steht und Inszenierung für das Schaffen und Gestalten von Lernräumen, -situationen und -angeboten.
Bei der Inszenierung steht immer auch ein entdeckerisches, exploratives und zumindest in Teilen selbstgesteuertes Lernen im Fokus. Dies hat sich als eine sehr starke Methodik für nachhaltige Lernerfolge gezeigt und kommt verstärkt zum Einsatz. (Auf Hinweise zu den entsprechenden Forschungen wird hier verzichtet – Interessierte werden es finden können).
Sowohl bei der Instruktion als auch bei der Inszenierung gibt es besondere Herausforderungen für Lehrende und Lernende, die ich hier gerne versuchsweise und einigermaßen kurz zusammenfassen möchte. Zudem bringen die Lernenden heute auch ganz unterschiedliche Erwartungen mit und tun sich nicht immer leicht damit, sich auf neue Lernformen einzulassen. U.a. auch deshalb stellt sich die Frage nach der richtigen Balance und Mischung zwischen Instruktion und Inszenierung. Bei beiden Formen müssen natürlich didaktische Konzepte entwickelt, Lernziele formuliert und Lernprozesse gestaltet werden. Die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sind jedoch deutlich verschieden.
Unter Lehrenden sind übrigens Lehrer:innen, Trainer:innen, Dozierende und Ausbilder:innen usw. zu verstehen.
Herausforderungen und Aufgaben Instruktion
- Gute und klare Struktur
- Erstellen von Inhalt und Ablauf
- Auswahl und Erstellen geeigneter Medien
- Einen Plan, wie etwas erklärt/vermittelt wird
- Gestalten von Übungen und Aufgaben
- Berücksichtigen verschiedener Lerntypen
- Auswahl geeigneter Methoden
- Wiederholen und Verankern
Herausforderungen und Aufgaben Inszenierung
- Ein klares, aber stärker kompetenzorientiertes Lernziel formulieren.
- Wie ein Intendant eine Situation oder ein Lernstück gestalten.
- Alles Notwendige zum Lernen bereitstellen. Das können Inhalte, Medien und Objekte sein.
- Die notwendigen Inhalte kuratieren, ergänzen oder erstellen.
- Mutig sein und auf etwas Struktur verzichten.
- Mutig bleiben: Die Dinge auch mal laufen lassen – auch Täler (s. u.) zulassen.
- Bereit sein, sich überraschen zu lassen.
- Klare Aufgabenstellungen formulieren, die eine echte Herausforderungen darstellen und auch zunächst mal unklar erscheinen dürfen. Das klingt widersprüchlich, ist aber tatsächlich so gemeint – auf diesem Weg entstehen echte Herausforderungen.
- Bestenfalls Gamification-Elemente, Badges und Challenges einbauen.
- Den Humor nicht vergessen – Lernen soll auch Spaß machen.
- Sich zurückhalten! Nicht in (alte) Erklärmuster zurückfallen.
- Intensiv beobachten!
- Moderationselemente und clevere Fragestellungen einsetzen.
Kommentar
Ich finde es persönlich gar nicht so einfach, die richtige Mischung zu finden. Ich glaube klar an den Erfolg der neuen Lernformen und dafür spricht auch das Feedback der Teilnehmer:innen. Allerdings ist es manchmal auch ganz schön anstrengend, diesen Stil durchzuhalten. Meist ist die Vorbereitung noch etwas intensiver und aufwendiger. Außerdem verlangt die Durchführung eine noch verstärkte Beobachtung der Fortschritte und des Geschehens. Wirklich anstrengend kann es insbesondere werden, wenn sich die Teilnehmer:innen zwischendurch irgendwie festgefahren fühlen oder den Eindruck haben, nicht vorwärts zu kommen. Dies erzeugt natürlich auch mal etwas Unmut und den muss ich dann erstmal aushalten. Exploratives Lernen erfolgt nun mal in Wellen – es geht auf und ab. Natürlich ist es meine Aufgabe, an diesen Punkten mit entsprechenden Hinweisen und vorsichtigen Interventionen, das Ziel wieder stärker zu fokussieren und näher kommen zu lassen. Dennoch entstehen manchmal bei mir Impulse, die Sachen dann einfach zu erklären und ich muss in diesen Situationen immer wieder neu bewerten, ob ich das machen will. Meistens mache ich es dann doch nicht, sondern gebe lediglich ein wenig konkretere Hinweise, um den Teilnehmenden zu ermöglichen, das aktuelle Tal wieder zu verlassen. Das verlangt allerdings auch immer wieder etwas Mut, denn schließlich wird von mir erwartet, dass ich die Inhalte (erklären) kann.
Hier spielen natürlich auch die Vorerfahrungen und Erwartungen der Teilnehmenden eine Rolle. Insbesondere in der Erwachsenenbildung kennen viele die neuen Lernformen gar nicht, sondern sind es gewohnt (und erwarten es dann auch) Lernen als Konsumierende zu erleben – und eben nicht als Agierende. Zudem erfordern alle explorativen, entdeckerischen Lernformen auch ein besonderes Engagement der Lernenden. Sie sind plötzlich viel stärker selbst verantwortlich für das Lernen und dessen Erfolg. Ich lege derartige didaktische Konzepte grundsätzlich immer offen und erkläre den Lernenden auch, dass sie hierbei besonders gefordert sind und auch mit Höhen und Tiefen rechnen müssen. (Das kann man übrigens fast nicht oft genug wiederholen.) Dennoch sind nicht alle bereit, wirklich selbst etwas für den eigenen Lernerfolg zu tun.
Warum mache ich das dann überhaupt?
- Weil es funktioniert!
- Ich im Feedback immer wieder höre, dass sich das Puzzle am Ende zusammensetzt und das entstandene Bild sicher nicht wieder vergessen wird.
- Weil ich immer wieder sehe, dass auf diese Weise tatsächliche neue Kompetenzen entstehen oder bestehende deutlich erweitert werden.
- Weil das so wirklich praxisnah wird.
Anderseits frage ich mich immer wieder, ob ich die richtige Mischung treffe – ob ich Instruktion und Inszenierung gut in Balance halte.
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